31.08.2020 Schreibwurzeln unter Pflastersteinen
Letzte Woche gab es in der Straße einen Wasserrohrbruch, der auch meinen Keller durchflutete. Zum Glück wurde das Desaster schnell entdeckt und ich konnte die meisten Dinge retten. Ein dicker Pappkarton war von unten durchweicht, ich stellte ihn zur Seite ins Trockene. Später schaute ich nach dem Inhalt und fand alte Notiz- und Schulbücher, so gut wie unversehrt. Die stabile Pappe hatte sie vor Schaden bewahrt.
Ebenfalls in dem Karton war die Ausgabe Eins der Schülerzeitung, die ich in meinem letzten Schuljahr noch mit aus der Taufe gehoben hatte. Und darin mein allererster selbsterdachter, veröffentlichter Text. Sozusagen die Mutter alles Geschriebenen, das mir seither aus der Feder geflossen ist.
Ich erinnere mich gut, wie es dazu kam. Die Schülerzeitung war in der Schulgeschichte der zweite Versuch, etwas Derartiges zu etablieren, und man wollte diesmal alles richtig machen. Eine Redaktion aus sechs Schüler/innen und einem betreuenden Lehrer wurde gebildet, eine große Umfrage wurde durchgeführt, was von der Zeitung erwartet wurde und wie sie heißen sollte. Und dann sollten die Beiträge erstellt werden.
Jemand fragte den Lehrer: „Ja, aber worüber sollen wir denn nun schreiben?“ Und er entgegnete – wenig hilfreich – mit einem Abwinken: „Mir egal. Schreibt von mir aus über das Liebesleben der Pflastersteine in tausend Metern Höhe. Hauptsache, wir kriegen genug Texte zusammen.“
Natürlich meinte er das als Scherz, doch ich nahm ihn beim Wort. Genau dieser Titel sollte es sein. Und so entstand der erste Text einer Art, wie ich sie noch heute gern in Kurzgeschichte und Roman durchklingen lasse. Und geschnörkelt habe ich damals auch schon. Ich war fünfzehn Jahre alt.
Wir schrieben auf mechanischen Schreibmaschinen, Computer existierten zu der Zeit wohl nur in Science-Fiction-Filmen. Das Heft Eins kam auf immerhin 32 Seiten, sah aber dementsprechend noch sehr roh aus. Die Weiterentwicklung des „Tintenklecks“ habe ich nicht mehr miterlebt, meine Schulzeit ging zu Ende. Im Vergleich mit modernen Schülerzeitungen würde er sich wahrscheinlich hinter Schamröte verkriechen.
Aber egal – ich bin froh, dass ich dieses alte Schätzchen wiedergefunden habe und möchte euch gern daran teilhaben lassen.